Kooperation mit dem Gymnasium Herkenrath
Wie es dazu kam . . .
Vor 20 Jahren gibt es einen ersten Kontakt zwischen den ca. 2 km entfernt liegenden Schulen. Die Überschrift lautet: "Schüler*innen der Oberstufe des Gymnasiums lernen Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung kennen". Die Gymnasiasten helfen im Unterricht und bei Arbeitsgemeinschaften. Die Kontakte führen zu verstärkten Anfragen an der Fröbelschule für Praktika und Stellen für ein Freiwilliges Soziales Jahr.
Vor etwa 10 Jahren ändert sich der Blickwinkel. Auch die Schüler*innen der Fröbelschule wollen das Gymnasium kennen lernen. Gleichaltrige Jugendliche mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Talenten möchten voneinander profitieren, Vorurteile abbauen, Gemeinsamkeiten entdecken. Es finden mehrmals im Schuljahr Begegnungstage mit unterschiedlichen Schwerpunkten statt: Kochen – Theater – Bewegung – Ausflüge – kreatives Gestalten. Gleichaltrige begegnen sich mal an der Fröbelschule, mal im Gymnasium Herkenrath.
Vor 6 Jahren: Die Inklusionsdiskussion ist in vollem Gange. Beide Schulen fragen sich, wie ein inklusiver Unterricht mit ihren Schüler*innen aussehen kann. Es entsteht die Idee eines Probeunterrichts in einem regulären Unterrichtsfach. Biologie in Klasse 8 und einer Oberstufenklasse der Fröbelschule bietet sich aus verschiedenen Gründen an: Es stehen Fachkolleg*innen zur Verfügung, die Lust dazu haben, der Umfang von zwei Wochenstunden im zweiten Halbjahr ist von der Vorbereitung her leistbar und stundenplantechnisch machbar, die anstehenden Themen Ökologie und Suchtprävention sind für beide Schülergruppen relevant. Es erfolgen Abstimmungen mit Schulleitungen und Eltern.
Der Versuch des gemeinsamen Biologieunterrichts startet im Schuljahr 2013/14 relativ unbürokratisch und findet zur Zeit zum vierten Mal statt: Beide Gruppen lernen sich im ersten Halbjahr kennen an bereits beschriebenen Kennenlerntagen. Im zweiten Halbjahr erfolgt der Biologieunterricht nach Lehrplan des Gymnasiums. Die Hälfte der Zeit wird in Herkenrath unterrichtet, die andere Hälfte in Moitzfeld, denn den Schüler*innen ist es wichtig, die jeweils andere Schule kennenzulernen.
Die Kontaktaufnahme unter den Schüler*innen ist unproblematisch. Schnell merken die Jugendlichen, dass sie hier auf Gleichaltrige treffen, von denen einige besondere Hilfe brauchen, von denen einige schneller denken und reden können als andere, die alle über Handys, PC-Spiele, Phantasialand reden, vor denen man in jedem Fall keine Angst haben muss.
Der Unterricht selbst ist schon schwieriger. Passendes Material zur Differenzierung gibt es bei diesen Themen nicht. Alles muss von Grund auf neu überlegt werden. Trotz intensiver Vorbereitung gibt es immer wieder Phasen, in denen die einen unterfordert sind, oder die anderen abschalten, weil es doch noch zu schwierig. Fachlich sind wir Kolleg*innen aufeinander angewiesen: Die Fachlehrer*innen des Gymnasiums bereiten grob den Unterricht für die Gesamtgruppe vor und strukturieren die wesentlichen Inhalte; die Förderschullehrer*innen kümmern sich um Differenzierungen auf unterschiedlichem kognitivem Niveau, für unterschiedliche Lesefähigkeit, nicht-sprechende Schüler*innen, usw.
Resumée für die Lehrer*innen:
Für eine solche Arbeit brauchen wir uns als Kolleg*innen mit den unterschiedlichen Fachlichkeiten gegenseitig! Die Förderschullehrer*innen sind rein fachlich nicht "einfach so" in der Lage, Biologieunterricht in Klasse 8 zu erteilen. Fachlehrer*innen des Gymnasiums sind nicht "einfach so" in der Lage, ihren Unterricht für Schüler*innen mit geistiger Behinderung zu differenzieren. Beide Professionen können sich in die anderen Bereiche entsprechend einarbeiten, es benötigt dafür aber viel Erfahrung, Zeit und Engagement. Darum sind die Erfahrungen aus diesem Projekt sehr hilfreich und befruchtend für alle Beteiligten.
Resumée für die Schüler*innen:
Für die Schüler*innen mit einer geistigen Behinderung erfolgen die Themen zu schnell aufeinander. Sie brauchen mehr Zeit, damit ein Thema überhaupt ankommt. Darum arbeiten sie in der folgenden Doppelstunde innerhalb ihrer Klasse den Inhalt noch wiederholend mit dem vorbereiteten Material oder in einer Nachbesprechung auf.
Für die Schüler*innen des Gymnasiums bleibt das fachliche Niveau etwas unter dem anderer Fächer, dafür rücken soziale und emotionale Aspekte mehr in den Vordergrund.
Beide Schüler*innengruppen bewerten den Versuch in den abschließenden Reflexionsgesprächen mit großer Mehrheit als gewinnbringend und wünschen sich eine Fortsetzung.